
Was viele Werdohler nicht wissen, oder vergessen haben, ist die Tatsache dass es auf unserem Stadtgebiet einst eine Ackerbau – Schule gab. Diese war ein Internat wo junge Bauernsöhne und Töchter die neuesten Erkenntnisse des Ackerbaus im Königreich Preußen erlernen konnten.
Gegründet wurde die Schule 1845 vom Pfarrer Nohl aus Herscheid, und sie befand sich auf dem Riesenrodt. Das Gut Riesenrodt stand dort, wo sich jetzt ein Mehrfamilienhaus an der Friedhofstrasse kurz vor der Kreuzung zur Landwehr befindet. Die Garten und Obstbaumfläche bestand aus 200 Morgen Land und bildete zusammen mit den Gärten und Äcker des Gut Wintersohl die Lernfläche der Schule. Verbunden waren die beiden Güter durch eine wackelige Kettenbrücke über der Lenne nach Wintersohl.
Im Jahre 1900 riss ein Hochwasser die Brücke mit, und wurde danach nicht wieder aufgebaut. Nach einigen Jahren verkaufte Pfarre Nohl die Ackerbau Schule, und mit dem Erlös wanderte er mit seiner Familie enttäuscht durch die gescheiterte Revolution von 1848 nach Amerika aus. Neuer Besitzer wurde der Landwirtschaftslehrer und spätere Ökonomierat Gosker, der die Schule zu hohem Ansehen brachte. Der Riesenrodt war die erste Ackerbauschule in der preußischen Provinz Westfalen. Die Ausbildung war hart und ein Arbeitstag dauerte so lange, bis abends die Glocke am Riesenrodt läutete. Es gab zum Essen getrennte Tische. Neben dem Herren Tisch gab es einen „Leutetisch“. Die Mädchen und Knechte bekamen keine Wurst, aber Dienstags und Freitags ein Stück Speck. Vorsorglich wurden sie dabei ermahnt es sich einzuteilen.
Die Erzeugnisse der Ackerbauschule Riesenrodt erhielten viele Preise bei Fachausstellungen und Messen. Nach leider nur knapp 40 Jahren ging die Schule in den 1880er Jahren ein und wurde geschlossen. Nachdem die Landwirtschaftsschule geschlossen war, ging der Riesenrodt in den Besitz der Firma Colsmann. In den 20er Jahren wurde er dann von der Stadt Werdohl übernommen. Im Gutshaus wurden Wohnungen eingerichtet, und das Ackerland wurde schnell zum Bauland. In den 30er Jahren, als die Parole „Kampf dem Verderb“ groß geschrieben wurde, richtete die Stadt Werdohl neben dem großen Gebäude vorrübergehend eine Schweinemastanstalt ein, in die verwertbaren Abfälle aus dem Werdohler Haushalten verfüttert wurden. Mit Beginn des Weltkrieges 1939 wurde auch dieses eingestellt. Auch eine Schule kann einen interessanten Werdegang nehmen.
linkes Bild: Ölgemälde Gut Riesenrodt mit dem an linken Lenneufer gelegene Gut Wintersohl mit der Kettenbrücke.
rechtes Bild: Deckblatt eines landwirtschaftlichen Buches mit der ersten Erwähnung der Ackerbauschule unmittelbar nach der Gründung 1845
- Geschichten zur Geschichte
- Teil 1 – Der lange Weg durch das Dorf
- Teil 2 – Die Sache mit den ….hagen
- Teil 3 – Als es noch „Kinderschützenfeste“ in Werdohl gab
- Teil 4 – Werdohl und sein Salzwerk
- Teil 5 – Wie ein Deal zwischen den beiden Kirchen eine alte Glocke rettete
- Teil 6 – Wo einst die Ritter hausten
- Teil 7 – Zurückgelassener Güterzug durfte geplündert werden
- Teil 8 – Beim Frauenschwimmen mussten die Zuschauer „geschützt“ werden
- Teil 9 – Alltag an der Dorfstraße, oder die Sache mit dem Besen
- Teil 10 – Aus Lenne und Verse frisch auf den Tisch
- Teil 11 – Wie die Königsburg zu ihrem Namen kam.
- Teil 12 – Von den „Dunkelmänner“ Werdohls
- Teil 13 – Bevor das Haus ein Rathaus wurde
- Teil 14 – Für Getränkenachschub wurde eine Flagge gehisst
- Teil 15 – Ein Hofgartendirektor und die ehemalige Parkanlage Funkenburg
- Teil 16 – Von einem Wirt der sein eigenes Baumaterial zurück kaufen musste
- Teil 17 – Fluch und Segen einer Handesstrasse
- Teil 18 – Der „anstrengende Weg“ eines Polizisten
- Teil 19 – „Glück auf“ auch in Werdohl
- Teil 20 – Zum 80. Jahrestag der Bücherverbrennung
- Teil 21 – Mensch und Tier bei Hochwasser auf engstem Raum
- Teil 22 – Über den Werdegang einer ungewöhnlichen Schule
- Teil 23 – Ein Fährmann in Werdohl
- Teil 24 – Das Waldversteck
- Teil 25 – Die verschwundenen Namen
- Teil 26 – Vom Mühlzwang und der königlichen Mühle
- Teil 27 – Ein „Berg“ wird bis zur Hälfte weg gesprengt
- Teil 28 – Als den Werdohlern das Bier brauen verboten wurde
- Teil 29 – Wie eine halbe Brücke eingeweiht wurde
- Teil 30 – Wie war das nochmal mit der Soppe/Zoppe
- Teil 31 – Feste feiern im Kaisersaal
- Teil 32 – Die Geschichte vom „Felixturm“
- Teil 33 – Was hat es mit den Haferkästen auf sich?
- Teil 34 – Wie der Busenhof zu seinem Namen kam?
- Teil 35 – Werdohl und seine „(un)heimlichen“ Gewässer
- Teil 36 – Ein kleines „Dorf“ in Ütterlingsen
- Teil 37 – Vom Dorfpolizist gab es mit dem Säbel „eins hinten drauf“
- Teil 38 – Ein Parkplatz auf dem Dach
- Teil 39 – Vom Großfischtag an der Lenne
- Teil 40 – Aus Dresel frisch auf dem Grafentisch
- Teil 41 – Der Einzelhandel in „alter“ Zeit
- Teil 42 – Ein Ortsteil der vielen Brücken und Wasserwege
- Teil 43 – Was es mit dem Zusatz „zur Post“ aus sich hat
- Teil 44 – Ein Bauernhof im Licht und Schatten der Geschichte
- Teil 45 – Die Wochenenden in vergangenen Zeiten
- Teil 46 – Kleine Koksstückchen brachten die ersehnte Wärme
- Teil 47 – Sportboote und Holzkähne auf der Lenne
- Teil 48 – Für etwas Süßes wurde nach Altmetall „geschürft“
- Teil 49 – Wie die Hebamme des Dorfes durch das Hochwasser kam
- Teil 50 – Ein ungewöhnliches Unternehmen im „Eisenhämmerland“
- Teil 51 – Der widerspenstige Gaul
- Teil 52 – Ein Hotel wird um eine Zimmerbreite verkleinert
- Teil 53 – Mit einem Trick den Dieb ermittelt
- Teil 54 – Rückblick auf ein Schützenfest
- Teil 55 – Aus dem Arbeitsleben eines Nachtwächters
- Teil 56 – Start in die Gastronomie mit Hindernissen
- Teil 57 – Lustige Stimmung im Wahllokal
- Teil 58 – Zwei Grundsteinlegungen für eine Kirche
- Teil 59 – Der Schnaps wurde durch die Reupe gereicht.
- Teil 60 – Der verschwundene Adelssitz
- Teil 61 – Der Name Borbet-Höhe hat sich nicht durchgesetzt